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Dienstag, 7. Juli 2020

Verzweiflungstat - England kauft OneWeb


Das ist ja mal eine handfeste Überraschung. Die britische Regierung kauft den im März in Konkurs gegangenen Satellitendienstleister One Web. Der gesamt Deal repräsentiert einen Wert von einer Milliarde Dollar, die sich die britische Regierung und das indische Unternehmen Bharti Enterprises Ltd. teilen. Bislang hatten Insider vermutet, dass Jeff Bezos (Amazon), dessen Firma Blue Origin genau gegenüber von One Web residiert, einige für ihn nützliche Bruchstücke des Unternehmens kaufen werde (wie zum Beispiel die Fertigungsanlagen für die Satelliten).

One Web war ins Leben gerufen worden (und hatte bereits auch etliche Satelliten in den Orbit gebracht) um Internet-Dienstleistungen aus dem niedrigen Erdorbit zur Verfügung zu stellen. Der Zielmarkt waren dabei vor allem abgelegene Gegenden oder Entwicklungsländer, die keinen oder nur begrenzten Zugang zum Highspeed-Internet haben. One Web wollte in etwa das gleiche Marktsegment bedienen, die auch SpaceX mit dem Starlink-System anpeilt.

So als wäre diese Hochrisiko-Investition (vor allem zu dem exorbitanten Preis, zu dem sie gemacht wurde) nicht schon genug, verlautbarte Großbritannien nun obendrein, dass sie das One Web-Netz als Navigationssystem verwenden wolle, ein Zweck für welches das System weder ausgelegt noch in der Lage ist. Zu dieser Aussage passt allerdings, dass England erst vor kurzem aufgefallen zu sein scheint, dass es nun – nachdem das Land aus der EU ausgetreten ist – keinen Zugang mehr zu den hochpräzisen Navigationsdaten des Galileo-Systems hat.

Auf jeden Fall wirft der überstürzt wirkende Kauf weit mehr Fragen auf, als er Antworten liefert. Auch ob Großbritannien die Verpflichtungen, die One Web eingegangen ist (beispielsweise über die Optionen für mehrere dutzend Trägerraketen oder die Rückzahlung von 238 Millionen Dollar Schulden an Arianespace), weiter übernehmen will ist ungewiss. Kann also gut sein, dass am Ende, wenn den Engländern die Konsequenzen ihres absurden Tuns klar geworden sind, doch Jeff Bezos der lachende Dritte sein wird. Und es wird interessant sein, diese Story weiter zu beobachten.

Bild: One Web-Produktionsgebäude in Cape Canaveral; Credit: Florida Today

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